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Aufbruch zu neuen Geschäftsmodellen

Die Buchbranche geht die Digitalisierung ihrer Inhalte offensiv an, aber sie steckt noch mitten in der Orientierungsphase. Das zeigt eine aktuelle Umfrage unter 840 internationalen Branchenvertretern, darunter überwiegend Geschäftsführer und Führungskräfte aus der Verlagsbranche, welche die Frankfurter Buchmesse und das Branchenmagazin Buchreport im September durchgeführt haben, in Kooperation mit Publishers Weekly. Die meisten Teilnehmer kommen aus Kontinentaleuropa, gefolgt von USA, Asien, Großbritannien und Lateinamerika.
„Jetzt ist die Zeit, nach neuen Strategien zu suchen, den Markt zu sondieren, international Benchmarking zu betreiben“, so Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse. Bis hin zum allein-selig-machenden Geschäftsmodell ist es noch weit, auch Investitionen werden noch zurückgehalten – gleichzeitig scheint jedoch die Angst davor, dass Inhalte im Netz in Zukunft nur noch kostenlos vertrieben werden, fürs Erste gebannt.

Suche nach Strategien und Partnern
80 Prozent der Befragten begreifen den mit der Digitalisierung verbundenen Umbruch in der Medienbranche eher als Chance denn als Krise. Hinter der demonstrativen Aufbruchstimmung stehen aber weiterhin viele Fragezeichen. „Die Branche sucht weiter nach Strategien, wie mit digitalen Angeboten Geschäfte gemacht werden können. Es geht um Modelle, die das erprobte Tauschgeschäft Geld für bedrucktes Papier ergänzen und mittelfristig ablösen können“, fasst Buchreport-Chefredakteur Thomas Wilking zahlreiche Einzelbefunde der Umfrage zusammen.

Als größte Herausforderung der Medienbranche wird die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, neuer multimedialer Produkte und geeigneter Vermarktungsstrategien genannt (607 Nennungen). 38 Prozent der Befragten sehen hier – also im Bereich Wissen und Strategie – auch den größten Nachholbedarf in ihrem Unternehmen. 2008 hatten nur 26 Prozent der Befragten Wissen und Strategie als Priorität im Unternehmen bewertet. Der Wunsch nach Vernetzung mit anderen Kreativbranchen wie Film, Games und Musik steht bei 19 Prozent der Befragten ganz oben auf der Liste der Prioritäten im Unternehmen. Neue Formen des E-Marketing sind gefragt – 27 Prozent nannten digitale Leseproben als wichtigste neue Maßnahmen im Marketing, gefolgt von viralem Marketing unter Einsatz von Social Media (22 Prozent) und von multimedialen Werbeformen (19 Prozent). Dagegen scheint die Zeit noch nicht reif, sich auf ein Geschäftsmodell festzulegen – nur 12 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass jetzt dringend Investitionen getätigt werden müssten.

Die zweitgrößte Herausforderung für die Medienbranche ist die Ungewissheit über die Veränderung der Mediennutzung und die Lesegewohnheiten der Kunden (425 Nennungen). Erst an dritter Stelle steht der Preiswettbewerb in Form zahlreicher kostenloser Digitalangebote (354 Nennungen) und die illegale Verbreitung geschützter Inhalte durch Piraterie (322 Nennungen).

Überraschender Befund: Die aktuelle Finanzkrise (mit 79 Nennungen) sowie die gestärkte Stellung von Autoren durch die Möglichkeit der Direktvermarktung im Web 2.0 (142 Nennungen) – und die daraus folgende Schwächung der Stellung von Verlagen und Sortiment – werden nicht als nennenswerte Herausforderungen für die Medienbranche wahrgenommen.

2018: Digitales überholt Print
Die Zeit drängt. Noch bestreiten digitale Produkte in der Regel nur einen kleinen Teil des Umsatzes: Rund 60 Prozent der Befragten schätzen, dass sie 2009 zum Teil deutlich weniger als 10 Prozent ihrer Erlöse aus digitaler Quelle speisen werden. Dies wird sich nach Meinung der Befragten jedoch in den nächsten zwei Jahren ändern: Für 2011 rechnen 41 Prozent der Befragten mit einem Umsatz von bis zu 10 Prozent, 58 Prozent sehen einen deutlich höheren Anteil digitaler Produkte am Gesamtumsatz voraus. Der Anteil derer, die davon ausgehen, in zwei Jahren ihren Umsatz zu 26 bis 100 Prozent mit digitalen Produkten zu machen, steigt von 24 Prozent (Schätzung für 2009) auf 38 Prozent (Schätzung für 2011) der Befragten.

Die Vorstellung, dass digitale Inhalte mehr Umsatz erwirtschaften als das traditionelle Buchgeschäft, wird also schrittweise konkreter. Gut 50 Prozent der Branchenfachleute sehen jetzt das Jahr 2018 als Wendemarke: Vor einem Jahr hatten bei einer vergleichbaren Umfrage 40 Prozent eine „Wachablösung“ zu diesem Datum gesehen. 27 Prozent waren 2008 der Meinung, dass digital niemals print schlagen wird – heute sind es nur noch 22 Prozent.

Verkaufen, aber zu welchem Preis?
Die entscheidende Frage ist, welches Bezahlmodell sich in der digitalen Welt durchsetzen wird. Die Favoriten aus einer vorgegebenen Liste sind eindeutig. Die Rangfolge:

1. Ein Abo-Modell, eine so genannte Flatrate, die für alle Online-Inhalte eines Anbieters gilt und in Kontinentaleuropa die meisten Anhänger hat. (25 Prozent)
2. Micropayment, also die Bezahlung pro „Info-Häppchen“, besonders favorisiert in Großbritannien und den USA. (23 Prozent)
3. Mit einigem Abstand folgt das Premium-Modell, also ein Extra-Abo für ausgewählte Online-Inhalte, eine Variante der Flatrate. (16 Prozent)

Werbefinanzierung, Freemium-Angebote (fast alles gratis, nur ausgewählte Online-Inhalte sind kostenpflichtig) und die Strategie, Online-Angebote gratis anzubieten um für physische Bezahlprodukte zu werben, spielen eine geringere Rolle. In der Praxis wird sich eher eine Kombination verschiedener Erlösmodelle durchsetzen. Nur 2 Prozent der Befragten (41 Nennungen) sind der Meinung, dass gar kein Preismodell im Netz funktioniert.

Auch wenn der Kopierschutz in Form von Digital Rights Management (DRM) sehr umstritten ist, weil er die Nutzung der erworbenen elektronischen Inhalte erschwert, sind 58 Prozent der Befragten der Meinung, dass Digital Rights Management (DRM) auch in fünf Jahren noch eine Rolle bei digitalen Inhalten spielen wird.

Die Probe, was für digitale Inhalte zu erlösen ist, lässt sich am besten an E-Books festmachen, weil es in der Regel um geschlossene Werke mit einem gedruckten Buch und damit einer Preis-Richtschnur gibt. Über den angemessenen Preis für E-Books ist sich die Branche allerdings noch völlig uneins. Alle gängigen Modelle haben ihre Anhänger, ohne dass sich Favoriten abzeichnen:

Der Preis für ein E-Book sollte sein
– teurer als die gedruckte Ausgabe: 4 Prozent
– genauso teuer wie das gedruckte Buch: 15 Prozent
– 10 Prozent günstiger: 11 Prozent
– 20 Prozent günstiger: 17 Prozent
– 30 Prozent günstiger: 14 Prozent
– mehr als 30 Prozent günstiger: 16 Prozent
– zu einem Standardpreis à la Amazon (9,99$): 15 Prozent
– Andere Preismodelle: 6 Prozent

Wie umstritten diese Frage ist, zeigen die ergänzenden Kommentare mit einer immensen Bandbreite an Einschätzungen. Noch sei völlig unklar, ob das E-Book nur als „Zweitbuch“ zum Schnuppern genutzt werde und ob etwa Häppchen als mobiler Content letztlich sogar für ein Vielfaches des Printwerks verkauft werden können.

Aufschlussreich ist die Tatsache, dass nur 35 Prozent der Befragten sich selbst zu E-Book-Lesern zählen, 22 Prozent benutzen E-Reader. Der Großteil der Befragten gibt jedoch an, nie E-Books zu lesen (65 Prozent). Das Lesen online am Bildschirm des PC oder Laptop ist den Befragten mit 65 Prozent eindeutig lieber als die Nutzung spezieller Lesegeräte oder multifunktionaler Handhelds. (Quelle: Frankfurter Buchmesse)
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